KöhlerPhotoArt

verschieben

Industriekultur und Idylle

„Rockdisco Exit“ und Stahlbogenbrücke, Solingen-Müngsten

© Werner Köhler 20.05.2008

Bis vor einigen Jahren war das Tal der Wupper unterhalb der Müngstener Brücke ein nostalgisches Kleinod mit Andenkenbuden, Ausflugsgaststätten und einer nicht begradigten Flussauenlandschaft. Zugegeben, so etwas kann man der „Generation Handy“ nicht mehr verkaufen.

Aber nicht mehr lange! Im Rahmen der Regionale 2006 wurden Andenkenbuden und Ausflugsgaststätten abgerissen, die Wupper in eine Kunstlandschaft hineingezwängt und einige Metallplatten mit Rätseln in den Boden eingelassen. Der ultimative Hammer aber war eine Seilfähre für die Kids – viel aufregender als der Märchenwald, den es hier einmal gab. Das Objekt creativen Selbstverwirklichungungsdrangs nannte man „Brückenpark“. Das Geld, das hier die Wupper runterschwappte, kam vom Land. Liest man eine zeitgenössische Lobesrede im feinsten Planer- und Designerdeutsch, reibt man sich erstaunt die Augen, denn hier hatte es vorher scheinbar nie touristische Attraktionen gegeben:

Natur trifft Technik, Idylle ergänzt um Ingenieurskunst – so läßt sich die Situation unter der Müngstener Brücke am besten beschreiben. Im Mittelpunkt der drei Städte liegt diese berühmte 107 Meter hohe Eisenbahnbrücke, die das Tal der Wupper überspannt. Landschaft und Tal sind hier genauso beeindruckend wie die filigrane Stahlkonstruktion des Brückenbogens. Dieser Ort könnte zu einem touristischen Highlight von überregionaler Strahlkraft werden. Heute ist er das noch nicht: Keine Hinweise auf Spazierwege, keine einladenden Plätze zum Verweilen, keine Aussichtspunkte an der Wupper. Nachwuchs-Architektinnen und -Architekten haben im Sommer 2001 im Rahmen eines Workshops Ideen entwickelt, wie die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands und die umgebende Landschaft zukünftig zu einem Erlebnis werden können. In diesem Mittelpunkt des Städtedreiecks soll ein Kulturlandschaftspark entwickelt werden. Hier können Wanderwege ankommen, hier soll man sich bewegend mit der Landschaft auseinandersetzen, hier könnte in regelmäßigen Abständen ein überregionales Kulturevent stattfinden. 2003 wurden in einem Architekturwettbewerb die Möglichkeiten eines Landschaftspark durchleuchtet.

Ein noch vorhandenes Fachwerkhaus schien die Visionen von der hippen Eventlandschaft zu stören. Das ehemalige Hotel Bergische Schweiz hatte bereits einen eventmäßigen Ansatz als Rockdisco Exit hinter sich, doch im House- und Hiphop-Zeitalter wohl nicht eventmäßig genug, denn 2005 kam der Exitus. Das Gebäude ging an einen gemeinnützigen Investor, der hier eine Behindertenwohnstätte mit „gehobener Gastronomie“ betreiben wollte. Doch wie gehabt war alles zu teuer: Die Sanierung des ach so baufälligen Gebäudes sollte sagenhafte drei Millionen Euro kosten. Im Dezember 2008, noch während der Diskussion um die Umnutzung, schafften die Bagger Fakten. Vor der in ein Betonbett gelegten Wupper wird sicher bald ein schicker architektonisch wertvoller Glaskubus entstehen. Die sauber vermessene Wandertrasse mit herrlich natürlichem Rechteckpflaster und Bäumen im korrekten Abstand ist schon jetzt ein Highlight. Dass übrigens heute mehr Betrieb herrscht als früher, ist nicht ganz sooo verblüffend, denn nach Müngsten gibt es schließlich erst seit 2006 wieder ÖPNV. Ein Schelm, der Schlechtes dabei denkt!

Nur das altmodische Objekt im Hintergrund stört irgendwie noch. Wo es doch ohnehin inzwischen ziemlich marode ist. Vielleicht könnte ein Spreng-Event für bewegende und erlebnisreiche Strahlkraft sorgen.

vorheriges